Herbert Otterstädt an Josef Erker, Steinheim bei Heidenheim / Brenz, 17.09.1938.


 


Herbert Otterstädt (1)
Duisburg / Brauerstr. 2, II
Duisburg, den 17.9.38


Josef Erker

Steinheim
bei Heidenheim / Brenz



Lieber Josef !

Besten Dank für Deinen Brief. Ehe ich ihn beantworte, setze ich voraus, dass es Dir überhaupt ernst um eine Korrespondenz ist, und sie nicht dazu da ist, Pamphlete aus Langeweile zu versenden! Dein Brief ist eine Flegelei und ich verbitte mir so etwas! ln der Anlage lasse ich Dir eine Schrift zugehen, die Dir unter Umständen zeigen wird, dass ich meine Zeit weder im Dreck gefunden habe, noch weiterhin die Absicht habe, mir für Gottschee die Nerven zu verschleissen, während Du es nur für nötig befindest, ohne meine Arbeit zu ahnen, u. Karten schreibst, auf denen Du "erwartest, dass der Bericht bald erfolgt". Dazu muss ich bemerken, dass ich seit 1.9.38 keine Nacht vor 12-1 Uhr zu Bett gekommen bin und 35 Aktenseiten mit Unterlagen und Vorbericht nicht von selbst geschrieben werden!

Wenn ich nicht einmal Zeit habe, meiner Mutter zu schreiben, dass ich wieder im Lande bin, weil mir Ganz Gottschee als Gemeinschaft wichtiger ist, so vermute ich, wirst Du irgendwie Verständnis haben, dass ich auch Dir erst dann berichten kann, wenn es wirklich meine Zeit so erlaubt, dass der Brief etwas gibt. Dann aber dreimal zu drängen und danach, als in der Eile nachts mit müden Nerven Dir zuliebe kurz, knapp und entsetzlich müde eine Antwort gegeben wird, die unmöglich endgültig war und sein konnte, mir so eine Frechheit zurückzuschmieren, ist ein tolles Stück.

Für mich ist die Sache erledigt. Ich frage nur noch, warum soviel Argwohn, Misstrauen, Ironie und Unsauberkeit? Du schriebst von Deinen Verdiensten, nachdem ich Deinen damaligen Brief an Hilde (2) mit scharfen Worten gegeisselt hätte (ich habe ihn übrigens im Original seit der Absendung hier). Ich erwartete keine Erklärung von Dir. Ich liebe eigene Belobigungen nicht. Es gibt darüber auch in Deutschland ein Sprichwort. Ich will es auch vermeiden,in dieser Beziehung irgendwann einmal von mir zu reden. Urteilen sollen über mich andere. Nun Du von Dir so schriebst, wirst Du mir nicht verübeln, darüber zumindestens auch andere zu hören. Es tut mir leid, dass die Anwürfe, die Du Deinen Kritikern gemacht hast, in sehr grossem Ausmasse meine Braut betreffen. Da es nun aber so ist, will ich die diesbetreffenden Ausführungen einfach niedriger hängen.

Der Erfolg, lieber Josef, ist für jede Sache entscheidend, nicht aber diplomatischer Wille. Der Erfolg besagt, dass trotz aller Bedenken Rapid mit deutschen Mitgliedern steht und nicht aufgelöst wurde. Sturm (3) hat, damit Du es ganz genau weisst, 4 000 RM und kauft sich an. Sturm ist in die Heimat zurückgekehrt und arbeitet, das ist entscheidend. Ich bin nicht befugt ihn schon vor seiner Arbeit mit Dreck zu bewerfen. Ich freue mich, dass er arbeitet. Er steht vermittelnd zwischen Arko und den Jungen. Ich habe ihm deutlich meine Bedenken gesagt, mehr darf ich nicht tun. Ich bin überzeugt, dass Sturm, der vom Gottscheer noch zu gut denkt, seine Erfahrungen machen wird und dann nicht der Mann ist der verbohrt behaupten würde, Kurzschluss überhaupt sei das Ende. Über Willi (4) ist nicht viel zu sagen. Ich bin überzeugt, dass er sich genau so ändern wird wie sich jeder junge Mensch (ich Gott sei Dank auch noch) ändern muss können, wenn ! er jung ist.

In Briefen will ich Dich nicht belehren, auch nicht sagen, wie Du Briefe zu schreiben hast. Ich will nur, dass wir nicht die Strafen zahlen, die uns Briefe einbrocken ! lch weiss nicht, was da noch Beleidigung ist ? Oder hast Du etwa die Absicht, für Hilde in den Kasten zu gehen oder gar ihre Strafe zu zahlen ? Die Briefe, die man ihr von Dir rot unterstrichen vorlegte, besagen ja, dass sie nicht so würdevoll aufgenommen worden sind, wie sie wohl beabsichtigt waren. Deiner Mutter nun aber hinterher den Vorwurf zu machen, sie hätte ihn ja verbrennen können oder müssen, ist eine zu billige Art, sich herauszudrehen. Ich verachte dies. Schreibe Deine Briefe gefälligst so dass nicht eines Tages noch die Pension gestrichen wird. Ich gebe dir deswegen den Ratschlag, weil ich jetzt erst unten war und nicht 1936. Wie Du aus der Anlage ersehen magst, stehe ich weder zu Dick (5), noch zu Dir. Das ist völlig belanglos. lch stehe zum Gottscheer. Es ist ausserordentlich viel schwerer, sich mühevoll ein objektives Urteil zu erwerben, als in sinnlosem Hass alles mit Misstrauen zuzusehen. Ich frage bei jeder Arbeit, was ist sie für Gottschee wert, d.h. für die Gemeinschaft.

Was Du aber für wert hältst, Deiner Mutter zu "schreiben und berichten" über mich, ist mir völlig gleich. Ich arbeite ja nicht für einen Einzelnen und habe meine Ehre Dir gegenüber nicht zu vertreten. Selbstverständlich habe ich auch "meinem Manager Volker (5) und Co einen Bericht zugesandt". Ich habe auch einen Durchschlag davon da! Du kannst ihn auch lesen, wenn Du willst, Du brauchst ihn nur anzufordern. Siehst Du und diesen Bericht habe ich sogar sofort abgesandt, weil ich der Meinung war, aus Gewissensgründen dort zu melden und warnen und mahnen, wo Verantwortung getragen wird, und das ist in Berlin! Da soll man nicht eines Tages sagen können, warum sind wir nicht rechtzeitig unterrichtet worden, nun haben wir keine Schuld, dass wir falsche Wege gegangen sind! Man soll immer seinem Gewissen gehorchen und Verantwortung tragen für alle Dinge, die man tut. Es tut mir leid, dass ich auch nicht umhin kann, den Brief, worauf meine Ulmer Antwort abging, als das zu halten, was er ist. Hätte ihn die Polizei abgefangen, so wäre die ganze Wirtschaftsarbeit zerstört gewesen. Oder glaubst Du das Gegenteil?

Weisst Du Josef, Du bist in Deutschland, und da sagt man sich ehrlich die Wahrheit. Da sagt man auch, das oder das war verräterisch! Das ist dann keine stinkende Lüge, sondern das Wort eines Mannes, der hinterher, so glaube ich wohl von mir bewiesen hat, dass er auch über einen solchen Brief hinwegklettern kann und nicht ein halbes Jahr lang Schaum vor dem Maul behält. Und darauf kommt es an: Man darf sich vieles sagen, auch bittere Wahrheiten, nur ehrlich müssen sie sein und ehrlich aufgenommen, denn dass wir Herrgötter seien und unfehlbar, glaubt man ja nur im Umkreis von Rom. Ich habe mit Dir keine Freundschaft, das will ich betonen. Ich sehe vielmehr und wesentlicher die Kameradschaft an, die einst ein ganzes Geschlecht von Frontkämpfern einer gemeinsamen ldee dienstbar machen konnte. Die will ich!

Lieber Josef, warum zahlst Du dem VDA alles zurück? Willst Du die Gelder des deutschen Volkes ablehnen, die in kleinen freiwilligen Opfern dazu gegeben wurden, dass mit ihnen Menschen geholfen werde draussen im Kampf und durch sie Menschen zu weiterem Kampfe verpflichtet werden? Willst Du Dich von der Pflicht loskaufen? Von Pflichten kann man sich nicht loskaufen und Deine Pflicht ist nicht 150 RM wert! Die Heimat, hat sie nicht in Dir einen ihrer verdienten Söhne geschickt? Sie hat nun nicht Briefe erwartet, sondern Deine Arbeitsfäuste und Deine Heimatliebe! Was bedeutet Dir Heimat? In Deutschland hast Du Verdienst gefunden, besonders als Auslandsdeutscher. Suchtest Du Verdienst oder eine Vertiefung der Begriffe Heimat und Vaterland? Oder beides? Gut, das geht mich nichts an. Ich habe auch andere Sorgen.

Ich bitte Dich, die Anlage durchzulesen und an Pg. (6) Brändle, München, Habacherstr.57 weiterzusenden, bei Dir aber die Anlage völlig vertraulich zu behandeln. Sie wird Dir gleichzeitig genug über die politische Lage in G. (7) sagen. Als Dein Brief ankam, dachte ich zunächst, es handele sich um die seit Juli erbetene Aufstellung, die meiner Anlage beigefügt werden könnte, um eine stärkere Schlagkraft zu erzeugen. Weit gefehlt. Ich bedaure dies.

Was soll ich mit Deinem Briefe machen? Ich pflege sonst, Briefe aufzubewahren.

Heil Dir!




Anmerkungen:

(1) Herbert Otterstädt, geb. 12. Februar 1912 in Berlin. Starb 26. November 1963 in Wiesbaden. Gattin Hilde, (verehelicht 1938), Tochter von Josef Erker, Gottscheer, Lehrer in Masern (Grcarice) 1912-1914. Zwei Kinder. Otterstädt durch Gattin mit Gottscheer Volksgruppe verbunden. Besuchte "Winterschule" für Gottscheer Jungbauern in Ulm in 1938. An dieser "Winterschule" waren gleichzeitig 60 junge Gottscheer unter Gottscheer Volksgruppen u. SS-Sturmbannführer Wilhelm Lampeter. Otterstädt war Hauptschuldirektor in Marburg und hatte bei den Planungen für die Aussiedlung von "Nationalslowenen" aus der Untersteiermark eine unterstützende Rolle. (Ferenc: Quellen, S. 275-277)

Verfasser von:
- Deutscher Besitz in Krain - nationalsozialistisches Südostdeutsches Institut, Graz, 1940.
- Vom deutschen Blutsanteil in Krain, 1941. Gottschee, eine deutsche Volksinsel im Südosten, 1941.
- Gottschee, Verlorene Heimat deutscher Waldbauern, 1962.

Ehrenringträger der Gottscheer Landsmannschaft.


(2) Hilde Otterstädt, geb. Erker
(3) Martin Sturm
(4) Wilhelm Lampeter
(5) Volker Dick
(6) NS-Abkürzung für Parteigenosse
(7) Gottschee


www.gottschee.de





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